liches Leben führten,also daß diejenige, deren Ehe-Weiber oder -Männer durch den Erbfeind entführet worden, deren Todfall halber nicht die geringste Probe thun können,als wiezusammen gegebene Ehe Leute mit einander in Ungebühr, nicht ohne grosse- Ärgernis anderer frommer Christen leben,und sich von ih ren bestellten Seel-Sorgern davon kei neswegs abmahnen thäten."" Auch der Pfarrer von Hamburg klagte schon im Jahr 1684 in einer Eingabe an das Pas sauer Konsistorium in Wien über die vie len wilden Ehen.^® Es kam tatsächlich in manchen Fällen vor,daß der vermeintlich totgeglaubte Ehegatte nach Jahren aus der Gefangenschaft zurückkehrte und seinen früheren Ehepartner bereits wie derverheiratetvorfand.Sohatte der Seiler von Himberg,der selbst in türkische Ge fangenschaft geraten war, nach seiner Rückkehrseine erste Frau nicht mehr an getroffen; angeblich war sie von den Tar taren in Perchtoldsdorfermordetworden. Daraufhin erteilte ihm der Dechant von Schwechat die Erlaubnis zur Wiederverehelichung.1686trataber eine Zeugin auf, die behauptete,die erste Frau des Seilers sei noch am Leben und befinde sich in Ofen in Gefangenschaft. Daraufhin er klärte dasPassauer Konsistorium in Wien die zweite Ehe des Seilers für null und nichtig und befahl dem Pfarrer von Him berg die Durchführung ihrer Separation. Die Bitte des Seilers,die Separation ange sichts seiner eigenen Krankheit und der seinerzweiten Frauaufzuschieben,wurde nicht erfüllt.1687 stellte sich aber heraus, .daß die Behauptung, die erste Frau sei nocham Leben,ein bloßesGerüchtgewe sen warund nichtder Wahrheitentsprach; daraufhin bewilligtedas Konsistorium die Wiederverehelichung des Seilers." Eine Wiederverehelichung war also an eine entsprechende Erlaubnis der bi schöflichen Konsistorien gebunden. Für ihre Erlangung war es nötig,den Tod des Ehegatten durch Zeugen zu beweisen. Konnten keine Zeugen genannt werden, so mußte der Antragsteller ein sogenann tes „iuramentum credulitatis" ablegen; dieses lautete;„Ich N.schwöreeinen Eyd, daß ich meinem Weib(oder Mann)alles fleiß nachgefragtund ob er nochim Leben oder nicht,so viel mir möglich gewest,er kundiget,aber mehrers, als was ich albereit gerichtlich vor-und angebracht,nicht erfragen können, dahero glaube, und nicht anders weiß, als daß Sie (oder Er) nicht mehr im Leben,sondern gar gewiß Todtseye.So wahr mitGotthelffund sein heiliges Evangelium."®® Injenen Fällen,in denen Männer oder Frauen verschleppt worden waren, konnten Zeugen für die besondere Kränklichkeit und Schwäch lichkeit derEntführten angeführtwerden. Dahinter stand die Überlegung, die Ent führten hätten die Strapazen der Gefan genschaft auf Grund ihrer schwachen Konstitution nicht überstehen können. Dieses Motiv wird in einer Eingabe auch einmal deutlich ausgesprochen: „weillen Sie dann vermug Attestation mit einer seuchenden Krankheit behafft gewesen, die erfahrung auch an Tag gegeben,daß dergleichen blöde und schwache Weibßbilder der feindt nicht lang leben lassen. sondern niedergesäblet."®' Oft wurden auch die Dechanten zu den Untersuchun gen herangezogen. 1686 wurden an das Passauer Konsisto rium in Wien etwa610 Ansuchen um Wie derverehelichung gerichtet; davon wur den 346 positiv erledigt, 9 abgelehnt; in 239 Fällen wurden die Antragsteller zur Beibringung weiterer Beweismittel ver pflichtet. Der Höhepunkt war dabei noch gar nicht erreicht allein im Jänner 1687 wurden 104 Ansuchen um Wiederverehe lichung behandelt.®® Gliedert man die An suchen nach derHerkunft derAntragstel ler,so ergibt sich etwafolgendes Bild:Die meisten Antragsteller kamen aus den Pfarren Baden und Heüigenkreuz;in der Häufigkeit folgen dann Kasten, Böheimkirchen, Kapellen, Maria Brunn, Ollers bach, Gumpoldskirchen, Sieghartskir chen,Steinakirchen, St. Andrä,Leobersdorf, Moosbrunn, Ruprechtshofen, Hain burg, Klostemeuburg,Purggstall,St.Le onhard, Abstetten, Pottenstein, St. Chri stoph, Hl. Eich, Herzogenburg, Mank, Aspershofen, Freindorf, Grillenberg, Guntramsdorf, Hafinerbach, Heiligen stadt, Texing, Hemstein, Kaumberg, Kirchberg, Klein Mariazell, Ebersdorf, Gerolding,Gramatneusiedl,Guntersdorf, Hainfeld, Hausleiten, Himberg, Hollen burg und Inzersdorf. In etwa 80 Prozent der Fälle war der Antragsteller der über lebende Ehemann;der Anteil der Frauen an denOpfern desTürkenkrieges war also viel höher. In der Diözese Wien wurden von 1683 bis 168664 Ansuchen um Wiedervereheli chung genehmigt Davon entfallen 13 auf dasJahr1684,50aufdasJahr 1685;einAn suchen wurde noch 1686 eingereicht Nach der Herkunft der Antragsteller er gibt sich folgende Reihung: Perchtolds dorf(8 Ansuchen),Penzing(5),Brunn und Ober-St. Veit(je 4), Enzersdorf,Gumpen dorf, Lainz und Vösendorf (je 3), Dorn bach, Hacking, Hetzendorf, Hundsturm, Ottakring, Weinhaus (je 2), Breitenfurth, Kalksburg, Laxenburg, Mauer,Meidling, Mödling, Pötzleinsdorf, St. Margarethen, Unterdöbling, Simmering und Währing (je 1). Auch hier wurden etwa 80 Prozent der Ansuchen von den überlebenden Ehemännern eingereicht. Aus den einzelnen Ansuchen und Zeu genaussagen erfährt man oft eindringli che Details über die Flucht und den Wi derstand der Landbevölkerung; ebenso werden Gefangennahmen und Ermor dungen erwähnt;auch das Schicksal der Gefangenen in den türkischen Lagern wird gelegentlich schlaglichtartig be leuchtet: So flüchteten etwa 60Personen ausMoosbrunnineinenWaldbeiHelligenkreuz; von ihnen konnte nur einer den Tataren entkommen.^ Viele versteckten sich in Höhlen,auf Bäumen und Heubö den." Im Schloß Enzesfeld suchten 663 Personen Zuflucht; sie wurden alle getö tet.®® Andere wurden im Kirchturm von Kierling®® oder in der Kirche von Mauer bach®'- verbrannt. Leute aus Hacking flüchteten nach Purkersdorf, wo sie an Schanzen den Tataren Widerstand zu lei sten suchten.®* Das furchtbare Massaker von Perchtoldsdorf wird auch in einer Zeugenaussage vordem Wiener Konsisto rium erwähnt: „Ich Georg Weißhaupt schwehre einen Aydt zue Gott dem All mächtig, daß ich den Michael Seher aus der Kirchen zu Berchtoldtsdorff auff den Platz hinaus zuführen gesehen, und weil auffselben Platz vil hundert Perchtoldtsdorffer niedergehaut wordten, so glaub ich,das auch der Michel Seher niederge haut wordten.So wahr mir Gott helff."®® Auch die während des Türkeneinfalls in manchen Gegenden aufflammenden Bauernunruhen werden erwähnt;so wur den Philipp Sibenhirdtner und sein Herr, Herr von Veldendorf, Viertelhauptmann, am Kaumberg„vonden dollsinnigen Pauren ...todt geschlagen."®' In den Zeugenaussagen werden fol gende Gefangenenlager genannt Tullnerfeld"*®; Wien"";Trautmannsdorf®;Erlau"". Als sich das christliche Entsatzheer Wien näherte, wurden die alten und kranken Gefangenen im Lagerim TuUnerfeld getö tet, mit Stroh bedeckt und angezündet."*® Auch im Wiener Lager,das sich zwischen Hernais und Ottakring befunden haben soll, wurden beim Beginn der Entsatz schlacht verschiedene Gefangene getötet. Bei ihrer Flucht nahmen die Türken jedoch auch viele Gefangene mit;so werden Raab, Gran, Buda, Neuhäusel und Ofen als Aufenthaltsorte niederösterreichi scher Gefangener genannt. Daß ander seits auch die Türken als Gefangene in Österreich verblieben, ist allgemein be kannt; für DöUersheim erfährt man dies aus dem Ansuchen des dortigen Pfarrers an das Konsistorium, einen gefangenen Türken taufen zu dürfen; dem Ansuchen wurde stattgegeben."'"' Anmerkungen: * D(iözesan) A(rchiv) W(ien), P(assauer) P(rotokone)93,fol.418v/419r;zitiert auch bei Peter Schilling,700Jahre Seelsorge in GerasdorfII(1983) 129. ® DAW,PP 93.fol. 439v. ® Vgl. Emst Tomek, Kirchengeschichte Österreichs,3. Teil(1959)38. "* Tomek,ebd. 39. * DAW,Aufgehobene Klöster: St. Jakob aufder Hülben, Nr. 154. ® DAW,PP 93, fol. 413r. 'VgL W{iener) P(rotokolle) 27, foL 246v.ff. ® DAW, Domkapitel: Kapitelprotokoll 1669-1697,p.336;zu den genannten Dom herren vgl. Hermann Zschokke, Ge schichte des Metropolitan-Capitels zum heiligen Stephan in Wien (1895) 398 Nr. 480,399 Nr.492 und 494. 'Vgl.Henriette Peters,Passau,Wien und Aquüeia. Ein Beitrag zur Kircbengeschichte von Wien und Niederösterreich im 17. Jahrhundert(1976) 146f. '® Peters,ebd. 147. "Peters,ebd. 148. '® Damitsind die späteren Vorstädte und Vororte gemeint. '® DAW.WP 27,foL 457v. DAW,PP94,foL39v(Pischelsdorf),59r (Pottenstein),94v.138v(Schwadorf),152v (Himberg), 157r(Unterwaltersdorf), 165v (Himberg), 179r (Abstetten), 240r(Him berg),247r(Unterwaltersdorf),253v(Kot tingbrunn); PP 95. fol. 37v (Reisenberg), 56r (Probstdorf), 70r (EbersdorO, 82v (Tribuswinkel), 88r (Wolfsthal), 88v 35
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