Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Soweit der äußerliche Ablauf, wie das ProtokoU ihn festhält.Esgibtaber,gerade hier,auch einezweite Seite,die man nicht übersehen darf: nämlich die menschliche Komponente. Ausgegebenem Anlaß habeich daherin den Bischofsakten des Diözesanarchivs nachgeforscht und einige menschliche DetailsausdemLeben und Sterben dieser beiden Erzbischöfe zusammengetragen. Kardinal Gruscha, geboren am 3. No vember 1820, wurde am 4. Mai 1843 zum Priester geweiht und erst am 24. Jänner 1890 zum Erzbischof von Wien ernannt. Anton Joseph Gruscha wurde also erst mit70Jahren Erzbischofvon Wien!Er re gierte noch 21 Jahre und starb am 5. Au gust1911 um 3Uhrnachmittagsin dere.b. Sommerresidenz in Kranichberg an Al tersschwäche.DieTotenbeschau besorgte der Arzt von Gloggnitz, der Sarg wurde noch in Kranichberg selbst in Anwesen heit des Bezirksarztes von Neunkirchen verlötet. Der Pfarrer von Kranichberg, Herr Ferdinand Strizik, gibt uns eine Beschreibung der folgenden Stunden: „Nach erfolgtem Tode wurde auf dem Schloßturm die große Glocke durch eine Stunde geläutet, am Abende darauf und am Sonntage um acht Uhr abends eine Betstunde gehalten. Am Sonntage wur den aber die Glocken von 7 bis 8 Uhr abends geläutet.An demselben Tagefand die Konservierung des Leichnams von 8 bis II Uhr nachts durch Dr.Julius Bartel, k. k. Universitätsassistenten und Pri vatdozenten in Wien,im Beisein des Provinzials der Barmherzigen Brüder, Thimotheus Teutschl, und des Leichenbe schauers Dr.Spitaler aus Kirchberg statt. Am Samstage und Sonntage verblieb die Leiche im Sterbegemache, am Montage wurde dieselbe in der Frühein der Privatkapelle aufgebahrt, um 11 Uhr in die Schloßkirche getragen und eingesegnet. Darauf zelebrierte der Ortspfarrer Ferdi nand Strizik unter Assistenz des Pfarrers Johann Gölles von Gloggnitz und des Pfarrprovisors Anton Krizik von Tratten bach und im Beisein der benachbarten Geistlichen ein feierliches Seelenamt, nach dessen Beendigung der geistl. Rat und Pfarrer Josef Wüsinger von Kirch berg das Libera vornahm.Sodann wurde die Leiche auf einen Fourgon gehoben und der Trauerzug geordnet,um dem fiir immer Scheidenden das letzte Geleite zu geben ..." So trat der verstorbene Erzbi schofseine letzte Reise nach Wien an. Dem Protokoll des f. e. Zeremoniärs über die Leichenfeier in Wien entnehmen wir folgendes: „... die Leiche war mit sämtlichen Pontifikalgewändem beklei det worden (Ring und Pektorale ausge nommen)...auch das Pallium wurde ge geben, wobei man vergaß, die drei mit kostbaren Perlen versehenen, dem Bis tum gehörigen Nadeln herauszunehmen (Wertetwa 3000 Kronen),welche daherins Grab kamen." Und bei der Öffnung des Sarges fanden sich besagte drei Nadeln tatsächlich am Pallium befestigt! Kardinal Nag!, geboren am 26. Novem ber 1865,wurdeam 14. Juli 1878zum Prie ster geweiht und am 19. Jänner 1910 als Bisehof von Triest (seit 1902)zum Erzbischof-Koadiutpr von Wien ernannt und schließlich,nach dem Tod seines Vorgän gers am selben Tag, dem S.August 1911 zum Erzbischofvon Wien und am 27. No vember 1911 zum Kardinal ernannt.Erre gierte nur knapp eineinhalb Jahre und starb am 4.Februar 1913um 0.45 Uhrfrüh an Urämie infolge von Schrumpfnieren. Kardinal Nagl muß in seinen letzten Le benstagen sehr gelitten haben,davon zeu gen die täglichen Bulletins des behan delnden Arztes Dr. Caspar Friedrich Schwarz. Auch diesmal hat der f. e. Zeremoniär Josef Wagner ein Protokoll geführt, wel chem wir folgendes entnehmen: .. so fort nach dem um 3/4 1 Uhreingetretenen Tode wurde an Kabinettskanzlei, resp. diensthabenden Beamten des Oberst hofmeisteramtes durch Weihbischof Pfluger Nachricht an Se. Majestät telefo nisch gegeben. Den vor dem Tore zahl reich versammelten Journalisten wurde nichts mitgeteilt, da man eine Verlautba rung, bevor es der Kaiser erfuhr, verhin dern wollte. Kaiser erfuhr es um 5 Uhr früh. Die Blätter, sowohl christliche wie andere,waren wohldarübersehrungehalten. Desgleichen wurde an die Nuntiatur telefoniert. Krankenschwestern wuschen und bekleideten dann den Leichnam mit frischer Wäsche, gaben Rosenkranz und Sterbekreuzin dieHand und Blumenvom Azaleenstrauch,den Erzherzogin M.The resia vor einigen Tagen gebracht, in die Hand." Und weiters heißt es dann noch: „...die Einbalsamierung wurdeam 4.ge gen Abend von Hofrat Weichselbaum und Dr. Schwarz vorgenommen, im Bade zimmer.Es durfte niemand dazu. 7 Liter Formalin eingespritzt,auf1000Jahre kon serviert. Dann wurde Leiche umgezogen von Leichenbestattung und Schwestern, und bei Pontifikalgewändem waren auch Sekretär und Zeremoniärdabei.(Violetter Talar und Zingulum, Schuhe und Strümpfe, Rochett, Humerale,Alba, Sto la, Dalmatik, Tunizella, Manipel, Kasel, Pallium [nachträglich eingefügt: ohne Nadeln},Handschuhe,weiße Mitra.)In die Hand wurdeSterbekreuzund Rosenkranz gegeben." Das Geläute der Sterbeglocken bei St. Stephan, die schwarze Beflaggung des Erzbischöflichen Palais, sowie desZwett1er- und des Domherrenhofes wurde ebenso beschrieben wie die Trauerlivree für Kutscherund Portier,dieAufbahrung, die Beantwortung der Kondolenzen durch den Zeremoniär, gemeinsam mit zwei Alumnen, die Ausstattung der Kir che („wie bei Gruscha!") und die Ord nung des Trauerzuges. Soweit die Tatsachen, welche wir den historischen Dokumenten entnehmen können. Meine Gefühle bei der Sargöffnung wa ren gemischt-einerseits ein historisches, wenn man so sagen darf,Interesse an den sterblichen Überresten von Menschen, die man zwar nicht persönlich gekannt hat, die man aber, wenn man ihre Nach lässe geordnet,ihre Bilder oft betrachtet und ihr Wirken in der Erzdiözese studiert hat, auf eine seltsame Art und Weise zu kennen glaubt -, anderseits ein bißchen Angst vor dem,was da wohl aufeinen zu kommen werde. Als es dann tatsächlich soweit war, war die vorherrschende Emp findung die sichere Gewißheit, daß das, was da, in konservierter Weise verhält nismäßig gut erhalten,feierlich gekleidet, vor mir lag, wohl mit gebührender Ehr furcht vor dem, was es einmal gewesen war-nämlich ein Mensch-zu behandeln war: daß aber das Wesentlichste nicht mehr hier eingefangen war, nämlich das, was den damaligen Titularbischof von Carrhä,Anton Joseph Gruscha am 12.Fe bruar 1883 in sein Tagebuch schreiben ließ: „... hl. Antonius! Du ließest mich heute so wunderbar auf deine Anrufung hin schmerzlich vermißte Augengläser und Augenblicke finden - so bitte für mich, daß ich das ewige Licht erblicken möge dereinst in Gott, wo keine künstli che Sehkraft mehr nötig ist, sondern wir alle im ewigen Lichte schauen die unend liche Herrlichkeit Gottes, Amen. Eine zutiefst tröstliche und hoffnungs volle Gewißheit,daß am Endedes Lebens alle UnvoUkommenheit ihr Ende findet. Das erinnert an den schönen Satz im Kirchlichen Stundengebet, der Komplet vom Dienstag, wo es heißt: „Schenke im Ende auch die Vollendung. Nicht in die Leere falle die Vielfalt irdischen Seins. Herr, deine Pläne bleiben uns dunkel.- Doch singen Lob wir, dir,dem dreieinen, ewigen Gott. Amen." Dr. Annemarie Fenzl Auch Laien können einsegnen Wichtige Neuerung beim katholischen Begräbnisritus In einer bisherin Österreich einmaligen Aktion hat die Erzdiözese Wien eine revo lutionierende Neuerung in Szene gesetzt: Seit kurzem nehmen in den 46 Wiener Friedhöfen neben Priestern auch Laien Einsegnungen vor. Die von Kardinal Kö nig beauftragte „Friedhofstruppe" hat in einem einjährigen Kurs all das über Be gräbnisse gelernt, was auch Priester kön nen müssen.Die Neuregelung gilt vorerst nur für Wien, ähnliche Entscheidungen der Diözese für die Bundesländer würden aber nicht überraschen. In einem theologischen Spezialkurs wurden die „Ersatzpriester" mit ihrer künftigen Arbeit vertraut gemacht. Den Abschluß bildete eine kommissionelle Prüfung. Rund 20.000 Begräbnisse pro Jahr fallen im Bereich der Erzdiözese Wien an,die von den 160Pfarren bewältigt werden müssen. Theologisch gibtes keinen Einwand ge gen das Auftreten von Laien bei Begräb nissen,da das Begräbnis kein Sakrament ist. Auch im Mittelalter nahmen „Bruder schaften", die keineswegs aus Priestern bestanden, Einsegnungen vor. Im rö misch-katholischen Begräbnisritus ist die Einsegnung durch Laien grundsätzlich vorgesehen. Anm.;Die Presse v. 29.10. 1981. 14

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