Volksdeutschen-Vertriebenen, in der Re gel stehen und Wiarden von einzelnen so gar als Eindringlinge betrachtet.Abfällige •Bemerkungen. Aussperren bei einem günstig gelegenen Tor u.a.kleine Schika nen wirkten verärgernd und veranlaßten den Kirchenrektorzum Einschreiten und Vermitteln. Ließ mich dabei auch beim Einsetzen für die Vertriebenen zu Äuße rungen und Handlungen hinreißen. Je denfalls wurde stets zugunsten der Ver triebenen entschieden und ihr Kirchen besuch gesichert Dieses Eintreten für sie und das Bekenntniszu ihnen schufmirei gentlich die Popularität um fast als ihr Pfarrer-so nannten sie mich öfter-ange sehen zu werden und ihr ungeteiltes Ver trauen zu gewinnen und mir zu erhalten. Nun von den ersten Kontakten.Dasaus meiner Abstammung mir verbliebene ländliche Einfühlungsvermögen und der Dialekt halfen bald,Kontakte mitdenein zelnen anzubahnen. Gruß,Zugehen,.An rede,Äußerungen desMitgefühls u.a.vor oder nach dem Gottesdienst erweckten immer größeres Vertrauen und leiteten eine richtige Mundpropaganda über den Seelsorgerim Lager ein.Wieimmerliefen bald immer mehr Kinder zu. Ich wählte gleich großzügig alle erreichbaren Buben für den Ministrantendienst aus. Jeder wurde einfach hereingeholt und ange kleidet. Wir brachten es auf dreißig, wie eine Gruppenaufnahme vor der Kirche, der Rektor im Meßgewand darunter,noch heute an diese Zeit erinnert, die ich trotz vieler Sorgen und Mühen und auch Ent täuschungen nicht missen möchte. Bot sich für mich hier doch die letzte Gele genheit. echte Volksseelsorge vor der •akademischen Laufbahn noch auszu üben. Einzelne Versehgänge, Krankenbesu che - leider erschütternde Todesfälle, junge Männer,Familienväter verunglück ten bei der.Arbeit Aussprachen mit den feiernden Alten und den Kranken halfen weitereSympathien gewinnen.Vereinzelt gab es bald auch Taufen,vereinzelt grüne, silberne oder sogar goldene Hochzeiten, woran über die Sippe hinaus fast das ganze Lager teilnahm. Da wurde dann bäuerlich reich aufgetischt,in der damali gen Notzeit auch für den Seelsorger er wünschte Gelegenheiten, die Leute wur den ja meist mrt Lebensmitteln bezahlt. Was Lebensmitteln anging, brauchte die Caritas fast nicht zu helfen. Zum Heim weh, unter dem vor allem die Älteren schwer und bitter litten,kam als besonde res Übel oder wurde als solches auch das auf den engen Raum einer Baracke er zwungene Zusammenleben hart empfun den. Baracken können nur Not- und Übergangslösungen sein. Ein länger dau ernder Zwangsaufenthalt verursacht nichtselten den richtigen Lagerkoller,der zu Depressionen, psychischen Erkran kungen. sogar zum Selbstmord führen kann. Das Zusammenwohnen auf eng stem Raum,die Schalldurchlässigkeit der Wände, die gemeinsame Benützung von Brunnen. Waschgelegenheiten und ande ren gemeinsamen Einrichtungen,die Wet terunbeständigkeitder Baracken bei Näs se. Kälte und Wind, die Beschränktheil auf notwendigsten Haushalt, das Fehlen der Häuslichkeit und Bequemlichkeit und noch andere Übel machten mit der Zeit das Leben hart und fast unerträglich und bildeten meist Quelle und Ursache fiir Mißhelligkeiten,Zank und Streit und sogar Feindschaften,die bei normaler Le bensweise in der Heimat ausgeblieben wären,da die meisten bei ihrer Sparsam keit,ihrem Fleiß und ihrer Tüchtigkeit es zu eigenen Häusern und Besitztum ge bracht hatten, wie mirimmer wieder mit Wehmut und Bitterkeit berichtet wurde. Da die meisten Familien mit Kindern ge segnet waren,gaben schreiende Säuglin ge, spielende Kinder und herumtollende Jugendliche genug Anlaß zu Reibereien und Geschimpfe. Auch das Zusammen seinmüssen mit alten Leuten, vereinzelt auch mit Kranken und der beiden Ge schlechter führte zu Unstimmigkeiten, die ebenfalls von daher verursacht wur den. Hier bot sich Gelegenheit genug und war es eigentlich ein Leichtes, alle Werke der leiblichen und mehr noch der geistli chen Barmherzigkeitin kleinster Weisezu üben; für die richtige Seelsorge jedoch gab es genug an Hindernissen. Sie hatte jedenfalls auch ihr Besonderes, ihre Hemmnisse und Schwierigkeiten. Je mehr man sie erkannte und damit rechne te, um so weniger wurden die Enttäu schungen und Versager. Noch sei er wähnt,ja klargestellt,daß ich als Kirchen rektor der Invalidenhauskirche keine Verpflichtung zur Betreuung dieses La gers hatte, da dies der zugehörigen Pfarre LainzfWien Xiri)zustand.Esdurfte daher zu keinen Einmischungen und Eigen mächtigkeiten von meiner Seile aus kommen. Nicht nur Verständnis und Weitherzigkeit von Seiten der Pfarre ließen es aber von Haus aus zu keiner Unkorrektheit und Uberschneidung kommen, im Gegenteil, bei der hohen Seelenzahl dieses Pfarrsprengels im XIII. Wiener Gemeindebezirk", war man nicht bloß froh, sondern dankte bei jeder sich bie tenden Gelegenheit für diese seelsorgli che MithilfeausderInvalidenhaus-Kirche im Lager,dasfür die Leuteauch näherlag. Da die Leute aus Wohnungen und Häu sern kamen,in denen Kreuzund religiöse Bilder, Weihwasserkessel und andere re ligiöse Zeichen die selbstverständliche Zier gebildet hatten, und um den Barak kenräumen in etwa die Öde und Trostlo sigkeitzu nehmen,wurde die Aktion:reli giöse Gegenstände injeden Raum,gestar tet. Konnte in der Buchhandlung des Wiener Domverlages einige Dutzend schöner religiöser Drucke, schlichte Holzkreuze, Weihwasserbecken, Rosen kränze usw. zu billigem Preis erwerben und damit die Wohnungen ausstatten. Man griff begeistert nach diesen Dingen, und sie zierten von nun an die Baracken wohnungen,zum Teil auch zum Verdruß religiöser und politischer Gegner. Hörte hie und da von bekenntnismutigen Äuße rungen der Bewohner solchen Andersge sinnten und Ablehnen! gegenüber. In der Weihnachtswochestellten wirauf einem Platz zwischen den Baracken eine große Weihnachtskrippe auf. beleuchte ten sie und hielten fast jeden Abend bis zum Heiligendreikönigstag eine kurze An dacht mitAnsprache und Liedern,wasdie nun Heimatlosen sehr ansprach und ih nen angesichts des im fremden Stall lie gendes Gotteskindes sichtlichen Trost gab, wie mir versichert wurde. Die Teil nahme bewies es, daß hier einem echten Bedürfnis und Wunsch entsprochen wur de. Holte mir bei dem kalten und hie und da schlechten Wetterallerdings mehrmals eine arge Verkühlung,aber dasOpfer war es wert Hielt mit den Ministranten aus dem La ger auch das Stern- oder Dreikönigssingen, und zwar nach dem Brauch und mit den Sprüchen und Liedern ihrer verlore nen Heimat, was die Alteren zu Tränen rührte und auch von der;hiesigen Bevöl kerung gutaufgenommen wurde, wie der herzliche Empfang in den Wohnungen und die Geschenke bewiesen. Auch der Fasching wurde nicht vergessen und den Umständen angemessen in den Baracken und im Freien gefeiert. Besonderen Eindruck machte in der Kirche die von den Vertriebenen gesun gene Passion desHerrnam Gründonners tag und Karfreitag, die von den Männern mit verteilten Rollen volkstümlich vorge tragen wurde. Uberhaupt fiel stets die vollständige Beteiligung der Männer aller Altersklassen auf. Ihre Seelsorger hatten besonders feierlich alljährlich das HerzJesu-Fest begangen. Ich freute mich da her über den an mich herangetragenen Wunsch,die Prozession auch hier abhal ten zu lassen.Wir begannen miteinerPro zession erst im Park desInvalidenhauses, zogen aberschon im nächsten Jahr wegen der fast vollzähligen Betelligurig alfef La gerleute und anderer auf die Straße. Der Erfolg ermunterte mich, dann die Fronleichnarnsprozession einzuführen, die sich zu einem einmaligen Erlebnisausge stalten sollte. Ergreifend war die jeweilig damit verbundene Festmesse aufder Kirchenlreppe und dem durch kräftigen Ge sang bekundeten Bekenntnis zum allerheiligsten Erlöserherzen. Selbstverständ lich nahmen wir dazu eine Musikkapelle auf. Um den Leuten das Gotteshaus zu ei nem Ersatz ihrer nun verlorenen Heimat kirche zu machen,führte ich eine eigene Messe für diese Volksdeutschen ein, die sie natürlich fast geschlossen besuchten und die sie auch durch ihren Kirchenchor mit ihren Liedern ausgestalten durften. Und was wäre nicht noch an kleineren und größeren Versuchen und Unterneh mungen, denke dabei an das religiöse Brauchtum in Kirche und Familie u. a.,zu registrieren. Wir unterließen statistische Kontrollen und Aufzeichnungen. Berufliche Verpflichtungen beendeten im Frühjahr 1&50 diese mir unvergeßliche Seelsorge unter den Vertriebenen. Sie und ich schieden schweren Herzens von einander.Kam ich aber später in die Nähe des Lagers und an einzelnen Baracken vorbei und wurde ich entdeckt,dann lie fen mir die Kinder und Jugendlichen zu, kamen mir auch Erwachsene entgegen und schüttelten mir mitihren schwieligen Arbeitshänden die Hand. Ihr Dank war dereinzige,der mirausgesprochen wurde, 38
RkJQdWJsaXNoZXIy NzM2NTQ=