Maria im Pfeiler-ein Wiener Gnadenbild P. Dr. Waldemar Posch In der mittleren der drei Kapellen, die an das rechte Seitenschiff der Michaelerkirche angebaut sind, steht über dem Al tar ein gotisches Vesperbild, das nach ei ner Inschrift an der rechten Wand der Ka pelle 1641 hierher übertragen wurde. Uber den ehemaligen Standort dieser Pietä gibt die Handschrift„Gnaden Pfeüler"' folgende Auskunft: „Dises Bildt ist in einem Pfeyler an der Meggawischen Capelln,also eingemacht,das eszum theil von einer kleinen Seulen, welche oben breit in form einer muschl ausgesehet, aufgehalten wirdtDannen hero Weilesim Pfeyler, wirdt es genent Unser Fraw im Pfeyler."^ Die Meggauische Kapelle beim nördlichen Seitenschiff ist identisch mit der 1430 erbauten Lukaskapelle^ (heute Theresien- und Pauluskapelle). Diese Ka pelle samt der darin befindlichen Gruft kaufte 1614 Ferdinand Hellfried Baron Meggau um 600 fl. Für die Gruft mußte er noch 400 n. dazugeben. Er ließ sich dies durch einen Kaufbrief vom 23.Jänner 1619 vom Wiener Bürgermeister und Stadtrat bestätigen^ Auf dem Umschlag zu dieser Urkunde steht der Vermerk: „Dise Crufften Befündt sich Richtig in d. Antoni Capelln" (heute Theresienkapelle). Der Pfeiler,an dem sich einst das Ves perbild befand, dürfte jener sein, der heute das Mariahilfbild trägt. Es ist dies auch der einzige Pfeiler beim nördlichen Kapellenanbau, der von allen Seiten zu gänglich ist,so daß aufihn die Angabezu trifft, daß der Pfeiler von Wachsopfern „umgeben" ist^ Die Michaeler Pietä ist aus Holzund polychromiert.Die HöhederFigxu-engruppe beträgt etwa 75cm,mit dem felsigen Un tergrund ist die Plastik etwa 86cm hoch. Sie steht aufeiner halbrunden mitKannelüren versehenen etwa84 cm hohen Holz säule. Nach Ginhart'' gehört die Statue dem 2. Viertel des 15.Jahrhunderts an. Während um 1400 der Körper des toten Christus waagrechtim Schoß der klagen den Mutter ruht,ist hier, in Erinnerung an die Komposition des 14. Jahrhunderts,er schon wieder schräg gehalten. Kurz vor Übernahme der Michaelerkirche durch die Barnabiten war das Gnadenbild 1623 restauriert worden'. Aufder Suche nach der Bedeutung des Namens „Maria im Pfeiler" war man auf dielegendäre Vita des hl. Jakobus des Äl teren gestoßen®.Als Jakobus zu Zaragoza in Spanien das Evangelium Christi pre digte, sei ihm am Ebrostrand die Mutter gottes auf einem Pfeiler erschienen. Sie ermahnte ihn, er solle ihr zu Ehren einen Tempel bauen und darin zum ewigen Ge dächtnis dieser Erscheinung eine Kapelle und ein Bild in einem Pfeiler aufrichten lassen. Dies sei geschehen und bis zum heutigen Tag wird dasBild „S.Maria in pilari, das ist „Unser Fraw im Pfeyler", ge nannt. Mit sicherem Instinkt erkannte der aus Elsaß stammende Barnabit P. Don Flo rentius Schilling" „Maria im Pfeiler" als zugkräftigen Anknüpfungspunkt zur Wiederbelebung alter Volksfrömmigkeit. Erfahrungsgemäß hatte man durch solche Kultstätten mehr Erfolg in der Rückge winnung der Bevölkerung zur katholi schen Lehre als durch inquisitorische und hochnotpeinliche Methoden'®. Zunächst ließ Schilling 1635 den Pfeiler, mit Aus nahme der Pietä, mit Goldfarbe verzie ren". Bald darauf erklärten sich einige Personen bereit, einen eigenen Altar für Unsere Frau im Pfeiler zu stiften. Wegen der Enge des zur Verfügung stehenden Raumes kam man von diesem Gedanken wiederab.Jedoch fand der VorschlagBeifall, für das Gnadenbild eine eigene Ka pelle zu errichten. Der Blick fiel auf die 1389 vom Bucharzt Hans Seitz gestiftete Dreifaltigkeitskapelle beim südlichen Seitenschiff®. Dieses Vorhaben wurde von Fräulein Maria Margaretha Fürstin v. Eggenberg tatkräftig unterstützt''*. DasWerk konnteum soehergelingen,je mehr Gebetserhörungen und vielleicht sogar Wunder man der Fürbitte Unserer Frau im Pfeiler zuschreiben konnte. Sol che waren bereits geschehen,aber leider „ad notam nit seynd genommen wor den'"®. Daher wurde ab sofort mit der Aufzeichnung von wunderbaren Bege benheiten begonnen. In der Handschrift „Gnaden Pfeüler" wurde angelegt ein „Verzaichnus Etlicher Miraclen und gna den so bey disem Heyligen Bildt gesche hen sein". Für die Jahre 1620 bis 1641 wurden 23 Mirakeln aufgezeichnet.Da ei nige davon von zeitgeschichtlichem In teresse sind,so mögen diese hier kurz an geführt werden: 1.'® Im Jahre 1620 Hei lung der stockblinden lutherischen Frau desAdam Schuester,die daraufhin katho lisch wird. 4. Ein schreckliches Erlebnis halte Frau Ursula Fischmann. 1630 kam ihr Mann vom Krieg zurück. Da er seiner Frau überdrüssig geworden war, überfiel er sie mit drei Konsorten zwischen Wien und Gatterhölzl.Der Degen war bereitsan ihre Brust gesetzt, da schrie die Frau laut zu Maria um Hilfe. Darauf ergriffen alle die Flucht. 5. Der Geselle Niclas Ferdi nand wurde in Venedig unschuldig zur Galeerenstrafe verurteilt. Die Interven tion angesehener Persönlichkeiten blieb erfolglos. Seine Mutter Johanna Ferdi nand betetezu Maria.Daraufhin gelang es einem Barnabiten,ihren Sohn von der Ga leere freizubekommen. Dies geschah 1633.7.HannsWerner,bürgerlicher Maler, hatte „ein Döchterl Catharina genant, welcher ein grosser Catharr ein aügl ein genommen". Nach erfolgter Heilung dankte 1635 der Vater mit„baar silbernen äugen".8. Anno 1635 erhielt Eva Zingiesserin und 1638Anna Maria Döllin Hilfe bei schwerer Geburt. „Wie alte leüth aussa gen,haben die geberenden weiber bey di sem wunderbildt iederzeit Hilff gefun den." 9. Maria half auch dem Zacharias Münch, des Erzherzogs Leopold Mund koch, als dieser zu Preßburg gefährlich erkrankt war. 11. Peter Nachera, vierer römischer Kaiser Musikus, konnte sich nach langer Krankheit nur auf Krücken fortbewegen. Er verlobte sich 1638 dem Gnadenbild und wurde gesund.12.Fabius Maximus von Ponzon,Dr.juris und Fürst lich-Salzburgischer Agent,fielin einetöd liche Krankheit. Er sandte eine silberne Tafelzum Gnadenbild und wurde geheilt. 16. Maria Christina Mollin hatte in tödli cher Krankheit „drey achting bluet gespeyt,alß destwegen derMedicus berueffen worden,halt Er Ihr alßbalt mit disen wortten;GebtIr wasSy will,esist auß mit Ir; dasleben abgesprochen". Nach Verlo bung zu Maria im Pfeiler wurde sie anno 1639 wieder gesund. 17.Der hochgelehrte Herr Daniel Hertzog bereitete sich in sei ner KrankheitaufBetreiben seines Arztes auf den Tod vor. Da „halt er sich gegen Hietzing verlobt, aber ohne einige bessereung.Ja demnach hattIme die redtange fangen Zue verfallen". Erst als er sich zu Mariaim Pfeiler wandte,wurdeer geheilt. 22.Johann Franciscus Valisus aus Schle sien„bekham ein blaterin einem aug,darauß ein sehr hitziges Wasser geflossen, undt war der Zustandt so groß, das der Wundtarzt, Ime Valesio das Aug schon abgesprochen". Anno 1640 wurde er auf die Fürbitte Mariens geheilt.23.Johannes von Valrauano,der Kaiserin Maria wirkli cher Kammerdiener,läuft am 12.Februar 1641 wegen seines9Monate alten totkran ken Kindes in die Kirche. Als er zurück kommt,ist das Kind gesund. Er verehrt Maria im Pfeiler eine Silberschale. Angesichts dieser aufsehenerregenden Begebenheiten begannen auch die Spen den reichlicher zu fließen. Von 1639 bis 1659 gingen durch namentlich genannte Wohltäter, ferner durch den Opferstock bei Unserer Frau im Pfeiler sowie durch Wachsverkaufusw.etwa4770 fl.ein".Der Maurer Anton Carlon erhielt für die bauli che Unterteilung der ehemaligen Dreifal tigkeitskapelle in drei Kapellen, nämlich zu Ehren des Vesperbildes, der hl. Anna und des hl.Sebastian(heuteBlasiuskapel le)309fl. 45 Kr.,der Polier 269 fl., der Ma lerfür9 Gemälde346 fl.,der Vergolder M. Gottfried Fischer 732 fl.50 Kr., der Altar tischler209 fl., der Bildhauerfür seine Ar beiten am Altar und an den Bildern 131 fl., ein gewisser Ambrosi Petrucci 35 fl. Mit Einschluß der Schlosser-, Klempner- und anderer Arbeiten betrugen die Ausgaben etwa 4903 fl. In der Handschrift „Gnaden Pfeüler" wird in ansprechenden Aquarellen der jeweilige Beitrag der Wohltäter zur Er bauung der Kapelle bildlich dargestellt'®. Dem Fräulein Maria Magdalena Fürstin v. Eggenberg wird das stuckierte Gewölbe zugeteilt,der Meta Anna Clara v.Baldiron, geb.Freiin v. Stralendorf die Vergoldung des Stucks, die Pflasterung der Vesper bildkapelle dem kaiserlichen Leib- und Hofapotheker Paul Weidner, die mar morne Kommunionbank der Anna Segarra, Kammerfrau der Kaiserin Maria, das eiserne Abschlußgitter mit den lanzett förmigen Spitzen Kolowrat, dem Vicekanzler in Böhmen. Den übrigen Spen dern, die sich scheints nicht auf ein be stimmtes Ausstattungsstück der Kapelle festlegen wollten, wurden farbige Bild skizzen zugewiesen: 6 Szenen der Lei densgeschichte,die vier abendländischen Kirchenlehrer und Engel mit Leidens symbolen. Dann scheinen 22 Wohltäter namen auf, eingerahmt in gemalten Kar30
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