1810:In derKirchenrechnung 1810 wird im Rechnungskapitel „Neuer Empfang" eine Einnahmepostfür abgehaltene„Äm ter"summarisch ausgewiesen.Unter den Ämtern ist auch „ein Lobamt der Zeller" aufgezählt. Vermutlich wurde ein „gelob tes Amt" an Stelle einer Wallfahrt nach Mariazell gefeiert. 1825/26: In den Jahresrechnungen des Armeninstitutes Stockerau von 1825/26 scheint ein Empfang vom Opfergang der Wallfahrten mit 3fl (= Gulden) 35 kr (Kreuzer) bzw. 1 fl 35 kr verrechnet. Dies erinnert an die Kirchenrechnungseintra gung von 1617. 1842/43: Ein Ansuchen der Stockerauer um Bewilligung einer Wallfahrt nach Ma riazell(25. Mai 1842)wird mit 7. Mai 1843 unter Hinweis auf die bestehenden Vor schriften vom Passauer Konsistorium ge nehmigt. 1861, Dreifaltigkeitssonntag: Nach An hörung einer hl. Segensmesse zieht um 5 Uhrfrüh unter Begleitung eines Geistli chen eine Prozession nach Mariazell aus. 1862: Im Inventar der Kirche wird eine „Zellerfahne" erwähnt. 1914 bis 1924: In den Jahren des Ersten Weltkrieges unterblieben die Wallfahrten nach Mariazell. 1925:Die Wallfahrten setzen wieder ein. Die Katholische Frauenorganisation Stockerau unternimmtunterFührungdes Stadtpfarrers Johann Forster vom 30. April bis 3. Mai 1925 mit der Bahn eine Wallfahrt nach Mariazell (mit zirka 40 Frauen und Mädchen). 1926, 12. bis 14. April: Unter Führung des Dechanten Max Gröbner findet eine Mänrterwallfahrt nach Mariazell statt. 1928, 25. bis 27. Mai: Die katholischen Frauen und Mädchen Stockeraus unter nehmen eine „Liebfrauenwallfahrt" nach Mariazell. 1928 bis 1931 werden alljährlich Be zirkswallfahrten in Sonderzügen nach Mariazell unternommen (Teilnehmerzahl rund 800 Personen). 1938 bis 1945: Die NS-Ära und der Zweite Weltkrieg unterbanden und be hinderten das Wallfahrtswesen sehrstark. Nach 1945 wurde eine Belebung des Wallfahrtswesens bis in unsere Tage hin ein wirksam.Im Zeitalter derTechnik trat an Stelle der-Fußwallfahrten die Pilger reise mit der Bahn. Der frühere echte Bußcharakter einer Wallfahrt ging dabei etwas verloren. Die Bezirkswallfahrten wurden 1948, 1950, 1951, 1953, 1954 in Sonderzügen ab Stockerau Ende August anfangs Septem ber durchgeführt.- Stockerauer Kriegs teilnehmer nahmenam 17./18.Juli 1949an der Heimkehrerwallfahrt nach Mariazell teil, die unter Leitung des Hw.H.Profes sors Dr. Beck standen. Nach 1955 sind die großen Bezirkswall fahrten nicht mehr zustande gekommen. Mit der zunehmenden Motorisierung ver lagerte sich die Teilnahme auf kleine Gruppen, auf Einzelpersonen, auf Fami lien. Die ganz großen Bauembund- und Männerbewegungswallfahrten nach'Ma riazell werden von den zuständigen zen tralen Organisationen unternommen; diese Veranstaltungen finden bei den Mitgliedern dieser Organisationen im Be zirksbereich großen Zuspruch.In der Ge genwart wird die einst geübte traditio nelle Form der barocken Wallfahrt mit neuen Formen und Gedankengut gestal tet und durchgeführt.Der einst gepflegte Fuß-und Sühnecharakterder Wallfahrten lebt in jüngster Zeit wieder auf! 1980 und 1981 wurden von Stockerau aus solche Fußwallfahrten nach Mariazell unter nommen. Mit der „Motorisierung der Wallfahrten" wurde der Besuch Maria zells vielfach mit einem Ausflug verbun den, als solcher auch angesehen, so daß man von einer echten Wallfahrt oft nicht mehr sprechen kann; es war nur noch ein „Besuch" der Gnadenstätte. Um 1960 wurdeim Selbstverlag desDe kanates Hausleiten ein „Stockerauer Wallfahrtsbüchlein" herausgebracht, von dem im Pfarrarchiv einige Exemplare aufbewahrt sind. Wann wurden die Wallfahrten nach Ma riazell unternommen?-Ein genaues Da tum läßt sich nicht ermitteln. Nach den unverläßlichen Datenangaben der Aus gabenbuchungen in den Kirchenrech nungen läßt sich annehmen, daß in der Zeit nach dem Dreifaltigkeitssonntag (Juni)oder in der Zeit der letzten August woche die Wallfahrt unternommen wur de.Die Pilgerfahrt dürfte insgesamtzirka drei Wochen gedauert haben. Bei einer durchschnittlichen Tagesleistung von rund 20 km wurden je sieben Tage Hinund Rückweg benötigt, wozu noch einige Aufenthaltstage in Mariazell dazuzurechnen sind. Vergleichsweise sei bemerkt, daß die Bahnstrecke Stockerau-TullnSt.Pölten-Mariazell 145 km beträgt. Die Wallfahrlsroute der Stockerauer Pilger läßt sich ebenfalls nur annähernd feststellen. Zwei Anhaltspunkte lassen annehmen,daß diese Route nicht mit der heute benützten Route über St. Pölten - Traisental bzw. Pielachtal- Mariazell zu sammenfällt,sondern weiter westlich ver lief. 1771 wird derOrt„Michelhausen" bei Tulln (erstes Nachtquartier) genannt. Dann hängtin derPfarrkirche zu Neuhaus am Zellrain, eine Tagmarschstrecke vor Mariazell,ein von Stockerauem gewidme tes Votivbild der Mariazeller Muttergot tes. Die Stockerauer pilgerten in sieben Tagesstrecken von Stockerau nach Mi chelhausen, dann über St. Pölten - Obemdorf a. d. Melk (oder Kilb) - Scheibbs - Grubberg - Langaus - Neu haus a. Zellrain - Mariazell. Im Pfarrhof Stockerau hängt ebenfalls ein Votivbild der Mariazeller Muttergot tes, signiert 1861. Nähere Angaben sind nicht vorhanden. Literatur: Chronik der Pfarre Stockerau; Ar chivalien der Pfarre Stockerau; Kirchenrech nungen der Pfarre Stockerau;Starzer Adalbert, Geschichte der Stadt Stockerau,S.256;Pia Ma ria Plechl, Wallfahrtsstätten in Nö; Gustav Gugitz. Die Gnadenstätten Österreichs, II. Bd.; Kübart-Bischof, Wallfahrer-Handbuch Öster reichs. Über Predigten in Wien 1923 Wien,den 27. VIII. 1923 Eure Eminenz, Hoch'würdigster Kardi nal! Gestern vormittags kam ich zufällig in den St. Stefansdom zu einer Predigt. Wenn ich sage:zufällig, wollen Eure Emi nenz nichtetwa denken,daß ich sonst nie in eine Kirche komme. Ich bin guter Christ - aber nach meiner Art. Jeden Sonn- und Feiertag suche ich das Haus Gottes auf, um zu Ihm zu sprechen, bald hie,bald dort. Nun am 26.also kam ich zur Predigt des H. Herrn Dompredigers Friedrich Rauchenwald,wie man mir sag te. Da vernahm ich einmal eine vernünfti ge, logisch aufgebaute, erbauliche Rede eines intelligenten, hochgebildeten Prie sters. Er sprach auf Basis des Evange liums Matthäus in gewählten Worten mit sympathischem Organ, leidenschaftslos, so daß ich ihn wirklich gerne bis zum Ende anhörte. Wenn ich betone, daß ich einmal eine vernünftige Predigt hörte, ist dies be gründet, weil ich leider oft recht unver nünftigezu hören bekomme;heute glaubt man nicht mehr an Fegefeuer und Hölle. Die Strafe Gottes äußert sich anders,und Hetzpredigten, wie ich solche von einem Kaplan der Mariahilferkirche, dann von einem Franziskanermönch eben daselbst hörte, gehören doch gar nicht in das Got teshaus. Wenn dann so Ausfälle gegen Juden gemacht wurden, wollte ich oft dazwi schen rufen: war der Heiland nicht auch ein Jude bis zu seinem Opfertode? War er nicht derjenige, der predigte: „Liebe dei nen Nächsten?". Außer Herrn Hochwürden Rauchen wald hörte ich nur noch einen Franziska nerpater in der Mariahilfkirche und ein maleinen Weltpriester in der Margareten kirche (Schönbrunnerstraße) sehr ver nünftig und erbauend christlich predigen. Da ich seit 1920im Monate Mai beinahe täglich bei den Mai-Andachten in allen möglichen Kirchen und den sonntägli chen Gottesdiensten in denevangelischen Kirchen beiwohnte,lernte ich wohlzu un terscheiden,waseine wirklich erbauende, vernünftige Predigt ist oder das Gegen teil. Sollte unsere Kirche nicht auch nur vernünftige Predigten von Priestern des Schlages Rauchenwald halten lassen, Eminenz? Dann wäre dem sozialdemo kratischen Kesseltreiben eine Waffe ent wunden. Kaiser Josefging oft unter dasVolk,um zu sehen und zu hören, wie man über den Herrscher spricht und seine Organe. Wie wäre es, wenn Euer Eminenz hie und daincognito zu einerPredigt erschie nen,aber unangesagt und unauffällig. Ilir Euer Eminenz hochachtender Ernst Dominig. DAW,Bischofsakten,Piffl, 1923. Hand geschrieben. Herausgeber Verleger und Eigentümer: Erzb. Ordinariat, 1010 Wien, Wollzeile 2.- Verantwortlicher Schrifüeiter: Prälat Univ. Prof.Dr.Franz Loidl,1010 Wien,Wollzeile 2.-Druck und Versendung:Herold Druck,1080 Wien,Strozzigasse 8. 48
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