Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Die „DREI APOSTEL" in der romanischen Kirche zu Schöngrabern, Niederösterreich DDr.JosefLiball* Königstein Seil mehrals 160Jahren mühen sich die Kunsthistoriker um die Erforschung und Interpretierung der Plastiken in und an der romanischen Kirche von Schöngra bern nördlich von Wien.Bisher haben alle Bemühungen um eine zufriedenstellende Deutung nur einen begrenzten Erfolg ge habt. Im folgenden Beitrag - eine Kurzfas sung einer größeren Studie-soll nur auf die sogenannten „Drei Apostel"-Figuren näher eingegangen werden, die erst seit 1937 an derinneren Nordwand der Kirche Aufstellung gefunden haben.Man hat sie bisher eher stiefmütterlich behandelt, obwohl Matthias Eissl sie 1819,sie befan den sich damals noch an der Friedhofs mauer und in besserem Zustand, recht genau beschrieb. Endres J. A. hielt sie 1910 auch möglicherweise für „Prophe ten",doch wurden sie dann doch bis heute zu „Aposteln erhoben, mit welcher Be rechtigung ist nicht geklärt"(vgl. Rupert Feuchtmüller, Schöngrabern, die ■ Stei nerne Bibel, Wien 1979). Wenn diese Figuren Apostel darstellen sollen, müßten sie eigentlich durch Attri bute, Beigaben, gekennzeichnet sein, welche von den zwölf heiligen Männern sie sein sollen und wollen. Eine ebenso wichtige Frage ist: warum ihrer nur drei noch übriggeblieben sind, und wo daher die anderen neun, wenn sie zwölf waren und sein sollten, hingekommen sind. Ei nige Bruchstücke sollten sich von diesen neun doch nochfinden,woso viele andere „Steine"erhalten sind.Denn sicherzeigen die drei Gestalten keine Hinweise aufdie drei Jünger aufdem BergeTabor oderauf die drei auf dem ölberg in der Karfrei tagsnacht.Sie sehen mit ihren ausgebohr ten Augenhöhlen weder verklärt noch schläfrig aus,und ihre Kleidung und Aus rüstung paßt weder zu diesen noch zu je nen (Zur guten Betrachtung dieser Bild werke eignen sich am besten die Wieder gaben in R.Feuchtmüller. Die Steinerne Bibel - Die romanische Kirche von Schöngrabern.Wien 1962,SS.44-45). Wie Matthias Eissl schon vor 170 Jahren feststellte,zeigen die dreiFiguren u.a.fol gende Attribute: alle drei tragen eine Art liturgischerGewandung und halten einen Stab in der rechten Hand,der bei zweien in einer Kugelendet,beim dritten,dem in der Mitte, mit einem Queriiolz; zwei tra gen auch eine Binde,die unter dem festli chen Mantel bis zu den Füßen reicht und dort mit Fransen geschmückt ist. Aufih ren Köpfen sah Eissl auch(noch)Kappen oder Mützen.Jeder von ihnen hältauch in der linken Hand ein kurzes Spruchband ohne Wort und Zeichen.' Da die genannten Stäbe keine Degen oder gar Schwerter sein können,sie wür den zur liturgischen Kleidung der Gestal ten keinen Bezug haben, müssen sie eine andere entscheidende Bedeutung haben und einen sicheren Hinweis aufihren Be ruf,aufihre Aufgaben,ihren Rang geben. Da sie aber keine Spur von Nimbus oder Heiligenschein zeigen,wollen sie auch mit Heiligkeit nichts zu tun haben, sondern wollen für Mysten gehalten werden, die sich mit orientalisch-ägyptischen Riten befassen, wie gerade der Träger des Sta bes mit dem Querholz,dem ägyptischen T-Kreuzbeweisen will.Sie könnten damit aufdie Wunderstäbe des Mose und Aaron oder die Zauberstäbe der Pharaonenprie ster hinweisen. Dann bekäme auch das leere Spruchband einen Sinn,das aufeine „Formel",einen Ritualspruch weist, den nursie,diese drei,kennen und niemanden offenbaren. Nur Adepten haben das Recht, die letzten Geheimnisse des Wis senszu erforschen und zu hüten.Es müs sen daher drei Meister religiöser Geheim lehren sein,die es damals überall in Euro pa,nichterst seit den Kreuzzügengab und die ihre Nachfolger fanden in allen Jahr hunderten. Dennoch wird es diesen Mei stern in oder unweit von Schöngrabern nicht gelungen sein, den „Stein der Wei sen", den legendären „Gral" zu finden, obwohl sie und ihre Nachfolger in dem Haus neben der Kirche, wovon die Reste noch zeugen,still,.arbeiten" konnten. So die drei Figuren gesehen - als Mei ster, aber nicht als Heilige, lassen sich auch die Plastiken in und außerhalb der Kirche neu deuten; denn ihre ikonographische Quelle ist und kann nurzum Teil die orthodoxe Bibel der Kirche sein; es müssen noch andere Anteile der religiö sen Bekenntnisse der damaligen und frü heren Zeiten, wie der Katharer,Manichäer, und verschiedener gnostischer Grup pen,untergebrachtsein,die wirallerdings bis heute kaum kennen können, da sie nicht aufgezeichnet worden sind oder werden durften.^ Nun darfnoch gefragt werden: welcher Ordensgemeinschaft gehörten diese drei Gestalten an, da sie keine „Laien" sein können.Nach welcherOrdensregellebten die Erbauer, Verwalter dieses Gotteshau ses,die nebenanihre,,Sonderliturgie"fei erten? Es fällt auf, daß die Kirche „Unserer Lieben Frau"^ von Schöngrabern erst 1307 eine selbständige Pfarrkirche ge worden ist(Feuchtmüller,SteinerneBibel 1962, S. 12). Das Jahr 1307 war aber das Jahr der Verhaftung der Templer. Papst Clemens V.gab in diesem Jahr Friedrich (III.) den Auftrag, auch im Herzogtum Österreich die Templer zu verhaften. Im Jahr darauf wurden ihre Güter verkauft (Mailly, Anton, Der Tempelheirenorden in Niederösterreich in Geschichte und Sage, Wien 1923). Jeder Historiker weiß, daß der Tempelherrenorden sich durch fast zwei Jahrhunderte viele Verdienste für Weltund Kircheerworben hat.Sie hin terließen die Spuren ihrer Macht und ih res Könnens im Vorderen. Orient und in Europa. Leider ist die Geschichte des Tempel ordens im österreichisch-böhmisch-mährischen Raum bis zu dessen Aufhebung noch zu wenig erforscht, obwohl die Kunsthistoriker die Zusammenhänge der weitverzweigten romanischen Kunst denkmäler in allen Ländern, in denen auch derTempelorden seine Machtentfal tete, untersuchen.Sie übersehen oft, daß diese romanischen Kunstwerke neben Stilverwandtschaften auch tiefere Ver wandtschaften ikonographischer Natur aufweisen, und daß sie nicht allein von Künstlergruppen und Bauhütten „stam men", sondern vor allem von ihren fi nanzkräftigen und kirchlich autonomen Auftraggebern. Die wichtigsten und reichsten dieser Auftraggeber waren aber im 13. Jahrhundert in ganz Europa ohne Zweifeldie Tempelherren,die einen Staat im Staate und eine Kirche in der Kirche bildeten (vgl. Hans Prutz,Die geistlichen Ritterorden, Berlin 1908; Josef Flecken stein-Manfred Hellmann,Die geistlichen Ritterorden Europas,Sigmarinen 1980). Mit der Aufhebung dieses Ritterordens durch Papst Clemens V. schienen die Templeraus der Geschichte vielerLänder verschwunden;sie lebten aberin anderen unter anderem Namen und anderen Ver einigungen fort. Auch ihre Werke aus Stein zumalsind vielfach erhalten und le gen Zeugnis ab von ihrer Macht, ihrem' Können und ihrem Geist und ihrer Geist lichkeit,wennsolcheihnen auch bis heute meist nicht zugeschrieben werden.(Vgl. Heinrich Dittmar,Der Kampf der Kathe dralen, Econ Verlag Wien-Düsseldorf 1964,S 363 ff.) Wie auf viele „kleinere" noch erhaltene romanische Kunstmonumente wird man dem internationalen Templerorden einen vielfachen Einfluß auch auf die beiden bedeutendsten aus dem 13. Jahrhundert im Donauraum:das Portal von St. Jakob in Regensburgund dieromanische Kirche von Schöngrabern mit ihren steinernen Religionsbekenntnissen nicht leicht ab^ sprechen können. 'Matthias Eissl, Das Templermonument zu Schöngrabem, in Österreich, in: F. Sartori „Österreichs Tibur" 1819, S. 303. ^ Vgl.Walter Nigg,DasBuch der Ketzer,Zürich 1949,S 189 ff. 'Dieser Titel: Unsere Liebe Frau, geht auf „Notre Dame" des hl. Bernhard zurück und durch seine Regelfür die Tempelritter auch auf manche ihrer Kirchengrühdungen. 46

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