Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Beichtstuhl die Ubergriffe der Nazis be klagte, wie heftig er sie deswegen für ihre undeutsche Haltung angriff.(Jauner war 1935 bis 1948Kaplan beiden„Paulanem"; 1948 trat er in den Ruhestand und starb 1962 im 83. Lebensjahr.)Jahre später be hauptete von Papen,daß er in den aufre genden Tagen des „Umbruches" gegen neun Kilogramm seines Gewichtes verlo ren habe und beklagte sich,was dieFama über ihn berichten werde: „Ich werde wieder als Schuft dastehen und kann niemandem beweisen,daß ich unschuldig war." Er versicherte, daß es nie seine Ab sicht war,Österreich Hitler in die Hände zu treiben,daß er aber nach dem unblutig verlaufenen Anschluß große Freudeemp fand. Dielaute Begeisterung derBevölke rung schien ihm nicht bloß das Werk an befohlenerPropaganda.„Dasgroße histo rische Ereignis hatte mich mit Haut und Haar erfaßt... Bei der Fahrt durch die Stadt wurde ich von der Atmosphäre des außerordentlichen Jubels völlig ange steckt.'"* Von der Angsteiner gewiß nicht kleinen Anzahl von Österreichern, vom Leid der schon Verhafteten, wußte von Papen nichts. Dafür vermittelte er, von seiner Hochstimmung mitgerissen, den Besuch des Kardinals bei Hitler in der Hoffnung,der deutschen Kirche dadurch einen Dienst zu erweisen. Gleich bei der Truppenparade bat er den Führer,unmit telbar danach im Hotel Imperial einen „nicht mißzuverstehenden Beweis" sei nes guten Willens zu geben, und zwar durch EmpfangdesWienerKardinals.Die spontane Zustimmung Hitlers übermit telte von Papen sogleich ,.durch einen be freundeten Geistlichen" an Erzbischof Innitzer mit dem Versprechen, ,,Seine Eminenzpersönlich zu Hitlerzu führen".' Von Papen erwartete, daß durch diesen Besuch die völlig verfahrenen Beziehun gen zwischen Kirche und NS-Regime auch im sogenannten „Altreich" von Österreich ausgebessertwerden könnten. Hitler sicherte in dieser Stunde seines Triumphes dem Kardinal alles zu, was dieser für die freie Weiterarbeit in der Seelsorge wünschte. Auch Kardinal In nitzer war der frohen Meinung,daß sich, trotz aller Bedenken, dieser Opfergang ausgezahlt habe, weil sein Besuch beim „Führer" ein Erfolg gewesen war; darum bedankte er sich bei Herrn von Papen für die Vermittlung dieser Aussprache,„von der wir beide hofften,sie würde einen gu ten Anfang" für eine gedeihliche Zusam menarbeit machen.' Daß dieser Mensch (Hitler) ihn derart belog und nichts von seinen Versprechungen hielt, mußte Kar dinal Innitzer nur zu bald schmerzlich er fahren. Auch Frau von Papen machte sich die Illusion, daß der Anschluß des katholi schen Österreichs die Einstellung des Nationalsozialismus zur Kirche bessern würde. Häufig in Heiligenkreuz zu Be such,sagte sie Abt Aelred Pexa von Stift Rein,der hier wohnte,daß die Patres vom Umbruch,der wenige Tagespäter eintrat, nichts zu fürchten hätten.' 3. Franz von Papen behauptete,daß er nieein Nazi gewesen wäre,nochje mitder NSDAP geliebäugelt hätte. Am 13. März 1938 meldete hingegen der deutsche Rundfunk,daß erfürseine Verdiensteum die Heimführung der Ostmark ins Reich die Ehrenmitgliedschaft und das goldene Parteiabzeichen vom Führer verliehen erhielt.Eine kurze Weile erlag auch erzu gegebenermaßen der starken persönli chen Ausstrahlung Hitlers auf einzelne wie auf die große Masse; von Papen meinte damals, daß der „Führer" selbst gar nicht so bösartig wäre, vielmehr das meiste Übel, das geschah, auf das Konto seiner linksgerichteten Ratgeber gehe. Schmerzlich mußte von Papen ziemlich schnell seine Meinung ändern und zur Kenntnis nehmen, daß tatsächlich alles letztlich von Hitlers Willen ausging®, da wares aber bereits zu spät,sich vom Dik tatorzulösen und der Plan,Hitlerfürkon servative Interessen einzuspannen, jäm^ merlich gescheitert Daß zwei seiner eng sten Mitarbeiter ermordet wurden, war Anzeichen genug, in welcher Gefahr er sich selbst befand,und nicht bloß er,son dern durch die übliche Familienhaftung alle seine Angehörigen. Besonders nach dem Attentat aufHitler vom 20. Juli 1944 fühlten sich von Papen senior und junior äußerst gefährdet Über die NSDAP em pört, wagte es der Botschafter, von der Türkei aus die hohe Auszeichnung des „Ritterkreuzes zum Kriegsverdienst kreuz"zurückzusenden und rechnete,als erdas Reichsgebiet betrat,mitder Verhaf tung. Zu seiner Verwunderung heftete ihm der bereits völlig gebrochene „Füh rer" in seinem Hauptquartier, der Wolfs schanze,den Orden für die vielen,seinem Lande geleisteten guten Dienste wieder an, vielleicht um Gerüchten entgegenzu wirken,daß Botschafter von Papen in der Türkeizum Feind abgesprungen sei.® Die früher erwähnte Frau Wegscheider in Rohr behauptet noch jetzt; „Sie(d. h. die Familie von Papens)waren ja so verfolgt und von den Naris bespitzelt." Zu einem vollständigen, offenen Bruch mit Hitler fehlte dem Herrn von Papen der Mutund, damitverbunden,dasZeugzum Märtyrer. Als Botschafter versuchter er mit aller Vorsicht,Feindkontakteaufzubauen,aller dings ohne greifbaren Erfolg. In diesem Sinn über die Chancen eines Sonderfrie dens mit den Westmächten befragt,erwi derte Frau vonPapen in Rohr:„DerKrieg ist noch nicht aus,weil der Teufel(Hitler) esnicht will,aber verloren isterschon."In den letzten Kriegsmonaten versuchte Frau von Papen, sich in ihrem Heim im Saarland von der Front überrollen zu las sen, und ihr Sohn erwartete begierig in Rohr eine diesbezügliche, wohl ver schlüsselte, telegraphische Verständi gung; das Unternehmen war aber nicht geglückt.Die Glieder der Familie von Pa pen waren überzeugt,daß alle Treue, mit der sie dem Reiche dienen woUten, ihrer grundsätzlichen patriotischen Einstel lung,nichtjedoch einer Sympathiefürdas Hitlerregime,entstammte. So kehrte von Papen jun.zu Kriegsbeginn aus Südame rika, wo er als Vertreter deutscher Indu striefirmen unterwegs war,freiwillig nach Deutschland zurück. Die beiden Töchter des Botschafters dienten an der Front in Lazaretten als Krankenschwestern. Zur Aufbesserung ihrer Verpflegung wurden gelegentlich inRohr einigeStück Rotwild illegal erlegtund in Konserven verarbeitet än sie gesandt.Gegen die Intentionen der nationalsozialistischen Machthaber wa ren Bemühungen des Herrn von Papen zur Rettung verfolgter Juden. Er erfuhr vom päpstlichen Delegaten für Griechen land und dieTürkei,Angelo RoncaUi,daß etwa 6000 Juden aus Bulgarien und Ru mänien befreit werden'könnten; Bischof RoncaUi wandte sich hilfesuchend an Botschafter vonPapen,daihm dasfür die Rettung geforderte Geld nicht zur Verfü gung stand. Er erhielt auf Umwegen die Summe,woraufdieBefreiung gelang; die Banknoten aUerdings sollen gefälschte gewesen sein.Durch Vermittlung Roncallis überdenVatikan versuchte vonPapen, „den aUiierten Mächten eine Unterschei dung in der Beurteilung Hitlers und des deutschen Volkes nahezulegen", wohl auch ohne Erfolg.*** 4. Neben seinen vielen Würden (siehe die Todesanzeige im Anhang!) besaß Franz von Papen auch die eines weltli chen „Geheimkämmerers di spada e cappa" bei Pius Xll. und Johannes XXIII. Dieses hohe Ehrenamt mußte alle zehn Jahre anläßlich einer persönlichen Au dienz beim Heiligen Vater erneuert wer den. Von Papen reiste nach seiner Haft, wieder im Genuß der Freiheit, sogleich nach Rom und wurde vom einstigen De legaten in der Türkei und nunmehrigen Papst Johannes XXIII. in Privataudienz empfangen. Der Papst eilte ihm freudig entgegen und umarmte ihn. Daß ihn der Heilige Vater„seinen alten Kampfgefähr ten" nannte, war für von Papen eine der glücklichsten Stunden seines Lebens,die er als Rehabilitierung und Anerkennung seines guten Willens ansah, der leider allzu oft nichts Gutes geschaffen hatte. Trotz feindseliger Pressestimmen wurde der päpstliche Titel eines Monsignore für von Papen erneuert. Als seine Gemahlin, die der Delegat RoncaUi in der Türkei zu schätzen gelernt hatte, starb, sandte der Papstdem überlebenden Gatten ein über aus liebevolles Beileidtelegramm. IV. In keinem Bezug zu Rohr im Gebirge stehen die folgenden Erinnerungen an Herrn vonPapen,diesicher geeignetsind, seine Persönlichkeit zu charakterisieren. 1. Im Jänner 1933 kam Erzherzog Otto von Habsburg,um die politische Lage zu Studieren, nach Berlin. Hier nahm er mit Friedrich Carl Graf Henckel von Donnersmarck Kontakt auf, der ihm seinen eigenen Diener zur Verfügung stellte. Als homo politicus plante der Erzherzog, einer Sitzung des Reichstages beiwohnen zu dürfen und erwartete, daß der mit Herrn von Papen befreundete Grafleicht imstande sein werde,ihm diesen Wunsch zu verwirklichen. GrafHenckel von Donnersmarck traf von Papen im Unionklub und fühlte vor, ob es möglich wäre, daß Erzherzog Otto in einerLogewährend der Sitzung anwesend sein könnte. Herr von Papen fragtezurück:„Wie glaubstdu,daß Otto zur Reichsidee steht?" Die Antwort lautete:„Doch wohlso,wie es aufGrund seiner Familiezu erwarten wäre!"Hierauf schlug von Papen die Bitte mit der Be- .3^

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