ders vorbildlich war die Frömmigkeitder Gemahlin des Botschafters,PVau Octavie Marie Marthe von Papen, die sich im Er sten Weltkrieg nichtgescheuthatte,serbi schen Kriegsgefangenen,die an der Ruhr erkrankt waren,selbst das Nachtgeschirr zu reichen.Wosie sich sicherfühlen durf te,und das warimPfarrhof,sprachsie mit großem Abscheu ganzoffen von der Nazi partei und pflegte, den „Führer" einen Teufel und Satan zu nennen. Davon wurde auch der verjagte Pfarrer Zeuge, dereseinmalwagte,trotzdesParteiverbo tes, heimzukehren und zur Tafel geladen war.WurdeFrau vonPapen mit„HeilHit ler"aufderStraße gegrüßt,antwortete sie stets fein lächelnd mit„Grüß Gott"; wü tende Parteigenossen schwuren, daß sie ihr das noch abgewöhnen würden.In An spielung auf den Namen „Marthe" steht aufdem Sterbebildchen der Frau von Pa pen(t 1961) der Bibelspruch:„Eine Frau mitNamen Martha nahm ihn(Jesus)in ihr Haus auf(Lk 10, 38). Die der Nazipartei keineswegs konforme Einstellung der Familie vonPapen konnte,obwohlsie mit derBevölkerungkaum Kontakthatte,den Rohrern nicht verborgen bleiben.Unvor sichtig kühn erwies sich gelegentlich von Papen jun. Einmal spielte er im Pfarrhof einer Gruppe von Offizieren die Schall platte mit der berüchtigten Rede desPro pagandaministers Dr. Joseph Goebbels vor, in welcher er seine Hörer rhetorisch fragte, ob sie wollten,daß der Krieg noch totaler werde. Von Papen jun. parodierte den klumpfüßigen Doktor,indem er ihn nachahmte: „Wollt ihr, daß diese Trottel uns weiter regieren...?" und zerschmet terte unter dem Gejohle der Männer die Platte auf dem Boden. Der Botschafter Franz von Papen sen., in seinem ganzen Gehaben ein perfekter Grandseigneur, kam ebenfalls in Kirche und Pfarrhof, pflegte aber bei den heftigen Äußerungen seiner Gemahlin zu schweigen; war er in Rohr anwesend,lebte er am liebsten sehr zurückgezogen. Als das Ende des Krieges nahte, verpackte der Pfarrprovisor in der Villa vorhandene Gegenstände mit vieler Mühe in etwa fünfzig Koffer und ver steckte sie in einem Silo. Auch der Ver walter brachte einiges im Pfarrhof in Si cherheit. Eine Kiste, vor allem mit Anzü gen und Wäsche gefüllt, wurde im glei chen Jahr noch von der Frau des Verwal ters in Wien, Palais Cernin, abgeliefert und sollte durch Vermittlungeinerangeb lich mitder Familie vonPapen befreunde ten Dame nach Deutschland gebracht werden,ging aber injener wirren Zeit un ter recht unklaren Umständen verloren. Die Villa und das Versteck im Silo sind geplündert worden, und Herr von Papen sen. konnte nur den Empfang von zwei Kisten bestätigen; besonders freute er sich, seine Jagdtrophäen darin wiederzufmden. Der Gutsverwalter, der trotz aller Ge fahr mit dem Motorrad zur russischen Kommandantur nach Wiener Neustadt fuhr,erreichte,daß der Besitz nicht unter die Verwaltungsmasse der USIA fiel, weil er arisiertes jüdisches Eigentum war und dahernichtzu Recht als deutsches gelten konnte,So kam Gut Harraseben im Zuge der Wiedergutmachung an den früheren Eigentümer, der das „Tausendjährige Reich"im Ausland überlebthatte,zurück, der es bald weiterverkaufte. Einige Jahre später schrieb von Papen jun. an seinen ehemaligen Verwalter, ob vielleicht noch etwas aus seinem Besitze vorhanden wäre; er betonte,so lange mit dem Brief gezögertzuhaben,umihmnichteventuell durch diese Korrespondenz zu schaden. Der briefliche Kontaktriß in der Folge ab, vielleicht auch deswegen, weil der Ver walter andeutete, es wäre nicht ganz in Ordnung gewesen,ein von den Nazis ge raubtes Gutzu erwerben. Der Pfarrprovisor mußte in den letzten Kriegstagen noch eine hochgefährliche Situation durchstehen. Von Papen jun. hatte einmalim Pfarrhofeinen Koffer de poniert,ohnedaß derPriester überseinen Inhalt etwas wußte;er stand vielmehr un beachtet auf einem Kasten. Russische Soldaten entdeckten ihn und brachen ihn auf;erenthielteinedeutsche Offiziersuni form mitPistole.Die sowjetischen Solda ten mutmaßten, daß der Pfarrer ein ver kappter deutscher Offizier sein könnte. Glücklicherweise paßteihm beiderProbe die Uniform nicht. III, Nun sollen gelegentliche Bemerkungen des Botschafters Herrn von Papen aufge zeichnet werden,in denen er zu verschie denen Abschnitten seines Lebens Stel lung nahm. Sie wurden unmittelbar vor dem Pfarrprovisor gemacht oder gelang ten an diesen durch Herrn Spalt(f 1980), Kammerdiener, Jäger, kurz Faktotum Herrn von Papens,der manches ausplau derte. 1. Ende April 1938 war die Leiche des Freiherrn von Ketteier, von Papens Se kretär und eines glühenden Hassers der Nazipartei, aus der Donau bei Hainburg gezogen worden. Der herbeigerufene Ka plan der Pfarre(und spätere Provisor von Rohr)merkte die schweren Verletzungen des Toten und die Unwahrscheinlichkeit der offiziellen Version, daß ihn eine Schiffsschraube,in dieergeraten wäre,so zugerichtet hätte. In Wahrheit waren es die Folgen tödlicher Mißhandlungen durch die von derGESTAPOangewandte Folter. Ketteier war in der Nacht vom 13. aufden 14.März1938,alsozweiTage nach dem „Umbruch",in Wien verschwunden. Alle Suchanzeigen des Herrn von Papen mit der Ausschreibung einer hohen Prä mie waren ergebnislos gewesen; seine Freude am .Anschluß ohne Blutvergie ßen" hatte einen „bitteren Wermutstrop fen"' erhalten. Nun wurde von der GE STAPO nicht bloß die Zuziehung eines privaten Arztes zur Autopsie verboten, sondern allen Beteiligten strengstes Still schweigen befohlen. Auch der Totengrä ber hatte die schrecklichen Verletzungen gesehen, hielt sich aber eingeschüchtert an die Weisung; als der Kaplan eine An deutung versuchte, behauptete er eiligst, nichts gesehen zu haben.Der Hainburger Kaplan hielt die Einsegnung, und Herr von Papen betete für die Seelenruhe des Ermordeten laut mit.In Rohr begegneten HerrvonPapen und der vormaligeKaplan einander wieder,und als letztereranjenen Tag erinnerte, sagte von Papen bloß: „Ach, Sie waren das! Mein armer Sekre tär..." 2. Von Papen hatte 1934 den Auftrag, als Gesandter nach Wien zu gehen,ange nommen, weil er überzeugt war, daß ein Großteil des österreichischen Volkes den Anschluß an Deutschland wünschte.Man vergleiche bloß die Loyalitätserklärung des späteren Bundespräsidenten Dr.Karl Renner, die im „Wiener Tagblatt" vom 3.April 1938 erschien:„Nun ist die zwan zigjährige Irrfahrt des österreichischen Volkes beendet. Es kehrt geschlossen zum Ausgangspunkt,zu seinerfeierlichen Willenserklärung vom 12. November (1918)zurück..." Gewiß erfolgten diese Worte aus taktischen Gründen,aber erst in Verbindung mit dem geplanten An schlag auf Hitler(20. Juli 1944)leuchtete esdem aufRenner folgenden Bundesprä sidenten Dr.Schärfim Gespräch mitdem ehemaligen deutschen Gewerkschafter Leuschnerauf.daß „derAnschluß totist", wie er in seinen Memoiren erzählt.'" Man wird es daher dem reichsdeutschen von Papen nicht allzusehr verübeln kön nen, wenn er den Anschluß in der Hoff nung forderte, daß das schlechte Regime Hitlers zwar verschwinden,der Anschluß Österreichs an das Deutsche Reich aber bleiben werde. Von Papen nahm daher gegen die terroristische,revolutionäreTä tigkeit der illegalen österreichischen Na zipartei Stellung,hatte aber eine evolutio näre Annäherung mit dem Ziele eines friedlichen Anschlusses im Sinn. Als praktizierender Katholik bekannt,wurde von Papen von Hitler als Lockvogel für die katholischen Kreise Österreichs be nützt. Er sollte vor allem die Abneigung des österreichischen Klerus, besonders stark seit dem Mord an Dollfuß,besänfti gen.Von Seiner EminenzTheodor Kardi nal Innitzer wurde von Papen nach sei nem Antrittsbesuch offen geschnitten; er nahm keine Einladung von ihm an noch war er bereit, den deutschen Gesandten (ab 1936Botschafter)auch nurzuempfan gen.In seinen Gesprächen in Rohr bedau erte von Papen, daß es ihm daher nicht möglich war,den Wiener Erzbischofüber Hitler vertraulich zu informieren;von Pa pen sagte:„Innitzer war nichtzu warnen." Während der tragischen Märztage und nach vollzogenem Anschluß fand er wie derum keine Gelegenheit, mit Kardinal Innitzer offen zu reden,da immer ein na tionalsozialistisch gesinnter Geistlicher mitanwesend war,, der jedes Wort gegen die Partei sofort weitergeleitet hätte.Dar unter kann nur Kaplan Jauner-Schrofenegg gemeint sein,der als Rittmeister a.D. leicht bei von Papen Zutritt fand. Erzbi schof Jachym, damals Sekretär des Kar dinals,ebenso PrälatJ.E.Mayer,Vorgän ger Jauners als Kaplan aufderPfarreWie den („Paulaner"), trauen Jauner aller dings eine solche Tat nicht zu. Seine na tionalsozialistische Gesinnung steht au ßer Zweifel. Geboren 1879, war er als Spätberufener erst 1933 geweiht worden; obwohl bald 60Jahre alt und noch immer bloß Kooperator, dürfte er mit dem Kommen des neuen Regimes eine Kar riere erhofft haben. Noch jetzt erinnert sich eine Frau, die Jauner gegenüber im 38
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