Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Interessante Einblicke in die Vermö gensgebarung und in dasLeben und Trei ben der Bruderschaft gewährt der Faszi kel vom 28.V. 1712 bzw. 1723': Dr.Franz Schwebskiechel bekleidete von 1702 bis 1723dasAmtdesSekretärsin der Bruder schaft und verwaltete als solcher das Vermögen derselben.Vom 3. VII.1700 bis 1711 und von 1712 bis 1723 gab es keine Rechnungslegungen. Es gab wohl keine Mißstände in der Gebarung,aber aus ir gendwelchen Gründen erfolgte keine Rechnungslegung. 1723 wurde Dr. Schwebskiechel als Sekretär durch Dr. Schüttenwein abgelöst; er erscheint 1736 als „Consultores". Nach 1750 ist die Blütezeit des Bruder schaftswesens vorbei. Maria Theresia schritt1750gegenauftretende Ubelstände ein (Verwendung der Gelder für nichtkirchliche Zwecke z. B.). Das Aufklä rungszeitalter lehnte längst das Bruder schaftswesen ab.Sokam esschließlichim Zusammenhang mit den kirchlichen Re formen Kaiser Josephs II. auch zur Auf hebung der Bruderschaften. Am 18.III. 1783Wiarden siezugleich mitdem3.Orden aufgelöst Das Vermögen und der Besitz wurden den neugegründeten Armeninsti tuten zugewiesen bzw. vom Staat einge zogen. Die Realitäten der St-SebastianiBruderschaft Stockerau wurden über be hördliche Weisung im Pfarrhof verstei gert und zwar: 'u Überlandlehen, Aquanteile, G'/« Joch Äcker,'/aTagwerk Wiesen,IV2 Joch Ackerland. Das Vermögen der Bruder schaft ging 1788 in den Besitz der „Bru derschaftderwerktätigen Liebe"bzw.bald darauf an das Armeninstitut Stockerau über. - Der Bruderschaftsbrief ging als Leihgabe am 8. VII. 1921 an das Museum in Stockerau über.' Kaiser Joseph II. vereinte alle Bruder schaften in einer einzigen Bruderschaft, der „Bruderschaft der tätigen Nächsten liebe",deren Bestand nichtlange anhielt. Die Leitung hatte der Wiener KardinalErzbischof inne; sie war nach Pfarrbezir ken gegliedert. Das Bürgerspital. An den einfachen Bau des Bürgerspitals, Hauptstraße 52 (Konskr..-Nr.201)wurde 1636 bis 1639 die Bürgerspitalskapelle angebaut. Das Bür gerspital wird daserste Malin den Spitals rechnungen 1609 genannt, „als schon lange bestehend" bezeichnet. Die Grün dung des Spitals läßt sich nicht feststel len. Im Spital wurden verarmte Bürger von Stockerau (aber nur 1. f. Untertanen und Pfarrholden),dann alte,gebrechliche, vermögenslose Leute und Wanderer auf Kosten der Gemeinde aufgenommen.Die Kapelle diente den „Spitalern"als Kirche. Als 1784 diese Kapelle (seit 1690 Sebastianikirche) aufgehoben wurde, wurden diese und das Bürgerspital(z. Teil)für mi litärische Zwecke benützt. Ihm wurde 1798 ein Stockwerk aufgesetzt sowie ein Doppeltrakt beigefügt; danach hieß das Bürgerspital nunmehr „Stöckelkaser ne"®.Mitdem Baueines neuen Bürgerspi tals im Jahre 1841 in der heutigen Brod schildstraße wurde das alte Bürgerspital zur Gänzefür Wohnzwecke derGemeinde Stockerau verwendet, Die Bürgerspitalskapeile. Die Vereh rung des hl.Sebastian führte in Stockerau nach den Notzeiten des Dreißigjährigen Krieges, der Pestjahre 1563, 1613, 1615-1617 und 1634 nicht nur zu einem stärkeren Kult,sondern auchzum Bau ei ner neuen Kapelle ihm zu Ehren. Die erste Nachricht über den Bau der Kapelle ist in der Rechnung 1636 desBür gerspitals zu finden.® Dort steht unter Einnahmen:„zum Gebäu der neuen Ka pelle5fl"(Spende!);die Kosten desBaues betragen 1636 152fl 30 kr.Der Maurermei ster Matthias Gimbenss und der Zim mermeister Georg Sperl erhalten vom Spitalsverwalter lt. Rechnung 832 fl 43 kr 2 pf ausbezahlt; 1640 noch weitere 67 fl 53 kr.Der Kapellenbau kosteteinsgesamt 1053 fl6 kr und 2pf.-Die Bauzeit dauerte vom 24.III. 1637 bis 9. X.1639. Im Diözesanarchiv, Wien,befindet sich ein mit 6.V. 1637 datierter Revers des Richters und Rateszu Stockerau,ausdem hervorgeht, daß diese „ain capels sand freihof(Freithof) zu und nöchst unserer und gemeinen MarktBürgerschaft allhier erheben, daß man und unser Nachkomben bemelte Capelle bey pau und anderer Notdurft wiU möglich Zuerhalten und Zuversorgen begehren", dessen wurde „Unser und gemainen Markts khleiner Insigl hierundter gestellt".(Bem.ein herrli ches Wachssiegel.) Am 9.X.1639 wurde diese Kapelle ein geweiht Am 11.X.1639 ist Matthias Klei ner auf dem ,J'reythoff beyn Spital zum Ersten begraben worden".' In dem Ansuchen der St.-SebastianiBruderschaft an das Passauer Konsisto rium um Approbation der Bruderschaft vom 29.III. 1658 wird bezüglich der Ka pelle berichtet:„Der Magistratzu Stocke rau hat an der Straße neben dem Spital eine Capelle gebaut,und daran von ihr bi schöflicher Suffragan(Bischof)am 24. III. 1637denersten Stein gelegt und 1639,9.1., dediciert und geweihtet hat worden."Zur Donation der Kapelle wird angegeben: „Wöchentlich ein gesungenesAmtund öf fentliche Prozession gehalten und erhal ten werden." Vom Markte und aus der Nachbarschaft „4 Meilen wegs" war eine Zunahme des Besuches zu verzeichnen. Die Kapelle ist dem hl. Sebastian „decidiert"=geweihtworden.FürdieBeschaf fung der Glocken ergab eine Sammlung 1640 bzw. 1641 gegen 3 fl bzw.30 fl 28 kr. Ausden Sammelgeldern wurden auch die notwendigen Reparaturen besorgt. Das Vermögen der Kapelle erscheint in den Bürgerspitalrechnungen auf, so daß die Annahme berechtigt ist, daß Spital und Kapelle zusammengehörten, was ja auch durch die gemeinsame Konskrip tionsnummer 201 zum Ausdruck kommt Das Vermögen der KapeUe beträgt 1690 (nach dem Bau 1690)398 fl. Die Sebastianikirche(1690-1784) Die bestehende Bürgerspitalskapeile wurde 1690 „von Grund auf um 3000 fl neu aufgebaut.® Unmittelbarer Anlaß zum Neubau mö gen die Pestjahre 1679 und 1683in Stocke rau gewesen sein. Die nunmehr größer gebaute Kirche war dem hl. Sebastian ge weiht. Im Pfarrarchiv gibt ein Faszikel mit 44 Rechnungsbelegen über diesen Bau Aus kunft Baumeister der Kirche war der Stockerauer Maurermeister Ulrich May erhofen Er erhielt vom Auftraggeber des Baues, der Marktgemeinde, am I. VIII. 1689 als Ehrengabe eine „erkhauffte ver goldete Silberschale". Die Verrechnung desBaueserfolgte überdie Spitalsinspek toren Adam Ertl und Stephan Schober durch die Spitalsverwaltung. Die datier ten Rechnungen ergeben eine Bauzeit vom 29.VII. 1689 bis 2. XI.1690,also ein einhalb Jahre. Die Rechnungen sagen weiter aus,daß die Stockerauer Handwerker und Ge schäftsleute beim Bau Verwendung fan den. - Die Ziegel wurden vom Stocke rauer Ziegelofen und von Wien gekauft. Der Kalk in Fässern wurde von Steyr durch „Nauführer, Flezer" und Bauholz händler bezogen; ebenso Holzlatten und „Baum". Vom Steinmetzmeister Wolf gang Steinböck aus Eggenburg sowie vom Steinmetz Rudolf Bruckhbacher zu Leobendorf holte man das notwendige Steinmaterial für Fenster, Türstöcke, Staffeln. Vom örtlichen Glasermeister wurden zehn Fenster (Kirche und Sakri stei) mit 3566 durchsichtigen Scheiben (Putzenscheiben) geliefert. Der Tischler verrechnete den Abbruch und das Neu aufsetzen des Altares, der Stühle, von Holzgittern, die Muster für die Gesimse, Kapitäle, das Rundfenster usw. Die SummederAusgabenfür dieBaumateria lien beträgt insgesamt 2194 fl 57 kr 2 pf. Der Differenzbetrag von 806 fl 3kr aufdie Gesamtkosten von 3000 fl mag das Bau meisterhonorar ausmachen, worüber keine Rechnung vorliegt. An weiteren DatenzurSebastianikirche können angeführt werden: 1694 Ankauf eines Weihbrunnsteines um 34 fl 10 kr; 1695 durch die Opferstocksammlungen wurdedasVermögen um 120fl vermehrt® 1732,30.1.: Auseinem Schriftenverkehr mit dem Passauer Konsistorium ist er sichtlich, daß die Sebastianikirche mit den Paramenten schlecht versehen sei, „so schlecht, daß sich die Priester schä men, Messe zu lesen", daß die Sammel gelder,jährlich 1275 fl, nicht für den An kaufvonParamenten verwendet wurden, sondern unter den „Spitälern" aufgeteilt worden waren.Dabei wird aufgezeigt,daß die Sebastianibruderschaft schon durch einige Jahre schlecht administriert wur de,vor vier Jahren wurde Rechnung ge legt, Geldreste wurden überwiesen,.die Bruderschaft besitze aber Grundstücke, Wiesen,Weingärten,®/4 Auholz.-DasPas sauer Konsistorium mahnt zum Ankauf der notwendigen Paramente; der Markt rat wird schriftlich aufgefordert, die not wendigen Paramente anzuschaffen, wi drigenfalls das Lesen der Messen einge stellt würde.® 1776/78: Beim Neubau der Pfarrkirche wurde die Übertragung der Glocke des Karners in die Sebastianikirche vom Marktrate veranlaßt. Im Zuge der Klosteraufhebungen Kai ser Josephs II. wurde 1783/84 auch die St..Sebastiani-Kirche gesperrt. Die Kir che und auch teilweise das Bürgerspital wurden der Militär-Hauptkommission Stockerau für militärische Zwecke über28

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