Die Sebastiani- oder Stöckeikirche in Stockerau OSR Hugo Nikel Der richtige, vollständige Name dieser Kirche lautet: Sebastianibruderschaftskirche bzw. Stöckelkasemkirche. Die langen Namen wurden im Alltagsge brauch von den Stockerauern gekürztge braucht. Die Sebastianikirche wurde 1690 er baut;Stöckelkirche heißt sie seit 1798,als das danebenstehende Bürgerspital ein Stockwerk (Stockei!) aufgesetzt bekam. Die Sebastianikirche steht in der Haupt straße Nr. 52(Konskr.-Nr. 201), anschlie ßend an das ehemalige Bürgerspital, der sogenannten Stöckelkaserne, Haupt straße 52(Konskr.-Nr. 201). Diese Kirche hieß vor 1690 Bürgerspitalkirche, diente den Insassen des Spitals,den „Spitälern" als Kirche und steht im engsten Zusam menhang mit dem BürgerspitaL Den Namen der Kirche trägt sie nach dem Schutzpatron der Kirche, dem hl. Sebastian. Der Name Sebastian kommt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie„der Erhabene",der„Verehrenswürdige". Die Kirche ist im spätbarocken Baustil errichtet, etwas mehr als 20 Meter hoch und weist eine große Länge, aber auch eine sehr geringe Breite auf. Die Straßen front zeigt eine geschmackvolle Giebel fassade,aus der sich der zierliche Barock turm erhebt,derdurch flache Wandpfeiler (Pilaster) und durch Gesimse gegliedert ist Der kupfergedeckteTurm wurdenach einerEintragung in der Pfarrchronik vom MarktrateStockerau um 1500fl gebaut.In der Nische über dem Portal stand eine Steinplastik des hl. Sebastian, die seit 1892(1784?)im Vorraum zxur Sakristei bis 1938aufbewahrtwurde.Heutestehtsiean der nördlichen Außenfront der Pfarrkir che. Das Marktwappen über dem Portal ließ derMarktratim Jahre1798anbringen. Der hl. Sebastian. Zu den volkstümli chen Heiligen gehörtder als Märtyrer ver ehrte römische Offizier Sebastian. Seine Verehrung erreichte besonders im 17. Jahrhundert eine große Verbreitung. Er wird als Pestheiligerangerufen(die Pfeile in seinem Körper sind Pestattribute); er gilt auch als Schutzpatron vieler Bruder schaften, der Sterbenden, der Soldaten, der Schützen,derZünfte und bei Tierseu chen. Das Thema des Sebastianimartyriums wurde in der Kunst unendlich oft aufgegriffen. Er wird,an einem Baum ge bunden, von Pfeilen durchbohrt, darge stellt. Sein Gedenktag ist der 20. Jänner; als Todestag gilt das Jahr 288(?). Die Gestalt des hl. Sebastian ist stark von legendären Darstellungen umrankt. Der Offizieram heidnischen Kaiserhofein Rom trat mutig für seinen Glauben und für seine gefangenen Glaubensbrüder ein. Für diese Haltung wurde er zum Tode verurteilt. An einem Baum gefesselt, wurde er von Bogenschützen mit Pfeilen durchbohrt. Eine fromme Frau pflegte den Schwerverwundeten gesund. Seba stian tratwieder unerschrockenfür seinen Glauben und für seine Glaubensbrüder ein. Kaiser Diokletian ließ ihn mitKeulen erschlagen.'^ InStockeraukanndieVerehrungdes hl. Sebastian 1639, 1643, 1658 nachgewiesen werden.1639: die Bürgerspitalskapelle ist dem hl. Sebastian geweiht.-1643: in der Pfarrkirche ist ein Sebastianialtar nach gewiesen.' Er stand einstens unter dem Seitenaltarbild des hl. Aloisius. Das Al tarbild deshl.Sebastian wurde 1839durch das Aloisiusbild ersetzt und befindet sich derzeit im Museum Stockerau. - 1658, 18.x., erhielt die Sebastianibruderschaft einen privilegierten Altar(diesen?)durch ein päpstliches Breve, an dem alle Mon tage für die verstorbenen Mitglieder der Bruderschaft eine Messe gelesen wurde; ein zweites Breve unter der gleichen Jah reszahl gewährte eine Reihe von Abläs sen.' ® 1746, 10. X.: Die Pfarrkirche be sitzt eine Reliquie des hl. Sebastian mit einer Authentik.' 1776, 9. X.: Die Reliquie des hl. Seba stian wurde „exponiert", d. h. ausgesetzt zur Verehrung,was bereits 1748 bewilligt worden war. Neben den bestehenden Sebastianikirchen und -kapellen in den Diözesen Wien und St.Pölten gibtund gab esnochim Be zirke Korneuburg außer der Sebastiani kirche und Rosalienkapelle (mit Seba stian)in Stockerau noch eine Kapelle,in Bisamberg(mit Rosalia, 1681-1782), eine abgetragene Kapelle in Jedlesee(ehemals Bezirk Korneuburg)und eine Kapelle in Simonsfeld.' Die St.-Sebastian-Bruderschaft Stockerau Der Kult des hl. Sebastian brachte die Gründung zahlreicher Sebastianibruderschaften mit sich. Die Bruderschaften sind Vereinigungen zur religiösen Ver vollkommnungihrer Mitglieder durch be sondere Werke des Gebetes und der Nächstenliebe (Seelenmessen, karitative Werke, Wallfahrten, Krankenpflege, be schauliche Zusammenkünfte u. a.). Die ersten Bruderschaften entstandenin"Rom im 12. Jahrhundert; in Wien 1268. In Stockerau wird die Bürgerschaftska pelle 1637 gebaut und dem hl. Sebastian geweiht. Die Bewegung des Sebastianikultes (siehe auch St.-Sebastian-Altar) führte 1658 zur Gründung der Sebastiani bruderschaft in Stockerau, Am 29. März 1658 wurde eine Bittschrift an das Pas sauer Konsistorium „um Gewährung und Approbation vorhandener Bruderschaft St.Sebastian in Stockerau gerichtet.Pfar re,Rat,Bürgersind einhelligentschlossen und der Gesinnung,zur Danksagung eine Confraternität oder Bruderschaft aufzu richten mit der Bewilligung des Konsisto riums nach den Regeln". Es wird um de ren Approbation gebeten.Unterschriften: Pfarrer, Rat, Bürger.' Die kirchliche Zu stimmung zur Gründung der Bruder schaft wurde mit 7. VI. 1658 erteilt.' Die bewilligte Bruderschaftsmesse (1658) an einem Montag fiel mit dem Markttage zusammen, was gewisse Schwierigkeiten mit sich brachte,so daß die Messe mitBewilligungderkirchlichen Behörde aufden Freitag verlegt wurde.' Die Bruderschaft gewann bald an Be deutung, und durch die Vermittlung des Protektors der Jesuitenprovinz, P. Lau renz Fellner, verband und verbrüderte sich mit ihr am 12. November 1664 die Erzbruderschaft„Zum allerheiligsten Sa kramentdes Altaresin derKircheS.Maria sopra Minerva"in Rom,so daß der Seba stianbruderschaft aller jener geistlichen Gnadenschätze zuteil wurde,die der Erz bruderschaft durch die Bulle Papst Cle mens' VIII. vom 7. Dezember 1604 und Papst Pauls V.vom 3. XI. 1606 verliehen worden waren. Pfarrarchivalien und Kirchenrechnun gen melden weiteres zur Bruderschaft,so z. B.: 1718,.21.1.: Johann Arthaber,Tisch lermeister,stiftet 100 fl, aus deren Zinsen ertrag jährlich fünf Messen zu lesen wa ren. 1719,26.IV.:Jakob Fellner testiert50fl, für welche aus dem Zinsenertrag für ihn. und seine Verwandtschaft eine hl. Messe zu lesen war.' 1719 wird ein reicher Ornatum 500flan gekauft. Das Bruderschaftsfest wird alljährlich am20.1.abgehalten.Esexistiertauch eine Bruderschaftslade (Kassa); es werden Prozessionen nach Klostemeuburg un ternommen; es werden Vorsteher be kannt,z. B.Martin Münz,Rektor der löb lichen St.-Sebastiani-Bruderschaft, des Rates Seniorund gewesenerMarktrichter (t 31.1.1706,54 Jahre alt).' An der Spitze der Bruderschaft stand der Präses (der jeweilige Pfarrherr); der Rektor war gewöhnlich der Marktrichter; dann gab es noch drei Assistenten und ei nen Sekretär. Dem Vorstand gehörten noch an die Ratsmitglieder und wohlha bende „auswendige Untertanen" der Pfarrfilialen (als sogenannte „Consultores")und die Himmelträger an. Für 1736 sind die Namen der gesamten Bruder schaftsführung überliefert. Im Jahre 1723 betrug der Vermögens stand der Bruderschaft: Einnahmen 3617 fl,Ausgaben 1802fl;1684'^Uberland ('/a Auteile und 6'/4 Joch Ackerland, '/2 Tagwerk Wiesen.- Nach einem Bericht der Pfarre Stockerau betrug der Vermö gensstand im Jahre 1768/1770: 1. 3Obligationen:Lt.Kupon 1000fl,500 fl, 500 fl; 2. bei „Privatis": 160 fl bei Leopold Zwetler; 3. an Realitäten:7'/« Joch Ackerland,so in Bestand(= Pacht) verlassen; item % Teile Holz in der Au. Aus einem Bericht aus dem Jahre 1825 (?)istzuentnehmen,daß im zehnjährigen Extrakt der Jahre 1766 bis 1775 die Emp fänge 3338 fl 3 kr, die Ausgaben 1584 fl 10 kr betrugen;zum Kirchenbau 1776 bis 1779spendete die Bruderschaft3000 fl;sie bestritt auch alle Prozessionskosten nach Klostemeuburg; die Bruderschaft besaß ein silberbeschlagenes Bruderschaftsbuch. 27
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